Oberlandesgericht Nürnberg, 19. Juni 2013 - 12 W 120/13

Grenzüberschreitender Rechtsformwechsel einer ausländischen Kapitalgesellschaft in eine deutsche Kapitalgesellschaft zulässig

 

Dr. Eberhardt Kühne, M.C.J.(NYU) und Dr. Christian Rehm

 

Ausgangslage

 

Der grenzüberscheitende Zuzug, Wegzug und Formwechsel von Gesellschaften jeglicher Rechtsform ist seit jeher Gegenstand kontroverser gesellschafts- und europarechtlicher Diskussionen. Die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Verlegung des Satzungssitzes von Kapitalgesellschaften, bei gleichzeitigem Wechsel von der Rechtsform eines EU-/EWR-Mitgliedstaates in eine inländische deutsche Rechtsform, hatte der EuGH in seiner VALE-Entscheidung anerkannt.

 

Der Beschluss des OLG Nürnberg

 

In einem Beschluss vom 19. Juni 2013 – 12 W 120/13 – hat das OLG Nürnberg als erstes deutsches Obergericht die Zulässigkeit eines grenzüberschreitenden Formwechsels ausdrücklich anerkannt und festgelegt, wie dabei zu verfahren ist. Gegenstand der Entscheidung war ein „Herein-Formwechsel“ einer im luxemburgischen Handelsregister eingetragenen Societé a responsabilité limité (S.à.r.l.), deren Satzungs- und Verwaltungssitz identitätswahrend nach Deutschland verlegt werden sollte. Die luxemburgische S.à.r.l. sollte als GmbH nach deutschem Recht fortbestehen. Sitzverlegung samt Rechtsformwechsel und Feststellung der neuen GmbH-Satzung wurden einstimmig zunächst zur Urkunde eines luxemburgischen Notars beschlossen. Die Gesellschaft wurde im luxemburgischen Handelsregister mit dem Vermerk gelöscht, der Gesellschaftssitz sei nach Deutschland verlegt worden. Daraufhin wurden sämtliche Beschlüsse nochmals vor einem deutschen Notar gefasst. Dieser meldete die Eintragung der neuen GmbH zum Handelsregister an. Das zuständige Registergericht lehnte die Eintragung ab. Die Beschwerde der Beteiligten hatte Erfolg.

 

Das OLG Nürnberg führte zur Begründung aus, dass die aus dem grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgang hervorgegangene deutsche GmbH im Handelsregister einzutragen sei. Das deutsche Recht müsse infolge der VALE-Entscheidung die grenzüberschreitende Verlegung des Sitzes einer Kapitalgesellschaft aus einem anderen EU-Staat in die Bundesrepublik unter damit einhergehendem Formwechsel in eine entsprechende Gesellschaft deutschen Rechts anerkennen:. Eine nationale Regelung, die zwar für inländische, nicht aber für dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegende Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsehe, verstoße gegen Art. 49 und 54 AEUV; beide Vertragsvorschriften zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften in der EU verpflichteten die Mitgliedstaaten, Gesellschaften, die dem Recht eines Mitgliedstaats unterlägen und sich in Gesellschaften nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats umwandeln wollten, dieselben Möglichkeiten einer Umwandlung einzuräumen wie inländischen Gesellschaften. Die Modalitäten dürften nicht ungünstiger sein, als diejenigen, die gleichartige innerstaatliche Sachverhalte regeln (Äquivalenzprinzip). Die Ausübung der durch EU-Recht verliehenen Rechte dürfe nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden (Effektivitätsgrundsatz). Daraus folge, dass der Zuzugsstaat ausländische und inländische Gesellschaften bei dem mit dem Zuzug verbundenen Erwerb der Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft  gleichbehandeln müsse.

 

Aus dieser Begründung des EuGH in seiner VALE-Entscheidung folgert das OLG Nürnberg, dass § 1 Abs. 1 UmwG, der den Anwendungsbereich des UmwG nur für Rechtsträger mit Sitz im Inland eröffne, europarechtskonform ausgelegt werden müsse, so dass das Umwandlungsgesetz auch auf Rechtsträger anderer EU-Mitgliedstaaten anwendbar sei.

 

Das Oberlandesgericht prüft nachfolgend die Einhaltung  des inländischen Umwandlungsverfahrens und stellt fest, dass eine luxemburgische S.a.r.l. den in § 131 Abs. 1 UmwG aufgeführten Kapitalgesellschaften entspreche. Daher könne sie aufgrund eines Umwandlungsbeschlusses in eine Kapitalgesellschaft deutschen Rechts umgewandelt werden. Dem stehe nicht entgegen, dass die luxemburgische Gesellschaft im dortigen Handelsregister gelöscht worden sei. Dies habe nicht dazu geführt, dass die luxemburgische Gesellschaft ihren Status als umwandlungsfähiger Rechtsträger verloren habe. Die Registerlöschung in Luxemburg sei lediglich wegen der Sitzverlegung in das Ausland erfolgt. Das Gericht bejaht im folgenden, dass die weiteren für den Formwechsel vorgesehenen Verfahrensschritte sowie die für eine Gründung des neuen Rechtsträgers nach deutschem Recht einzuhaltenden Regeln auch bei der grenzüberschreitenden Umwandlung entsprechend § 197 UmwG beachtet worden seien, nämlich die Vorschriften über die Sachgründung einer GmbH mit entsprechenden Festsetzungen der Sacheinlagen, die Erstellung eines Sachgründungsberichts, die Vorlage entsprechender Nachweise über den Wert der Sacheinlagen sowie die Anmeldungen zum deutschen Handelsregister.

 

Bedeutung der Entscheidung

 

Mit dem Beschluss des OLG Nürnberg sind nicht alle Fragen einer Verlegung von Satzungs- und Verwaltungssitz einer ausländischen Kapitalgesellschaft, von einem EU-Mitgliedstaat nach Deutschland unter identitätswahrendem Formwechsel in eine deutsche Kapitalgesellschaft gelöst. Die Entscheidung erhöht die Planungssicherheit für die Gestaltungspraxis und kann als Vorbild für künftige grenzüberschreitende Formwechsel dienen. Die Entscheidung betraf allerdings den einfacheren Fall eines „Herein-Formwechsels“ nach Deutschland. Ungeklärt bleibt, wie im Falle eines „Heraus-Formwechsels“ einer deutschen Kapitalgesellschaft nach einem anderen EU-Mitgliedstaat zu verfahren ist.

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