Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 28.02.2013 – 3 U 136/11

 

Dr. Christian Rehm

 

1.     Zusammenfassung

 

In einem instruktiven Urteil hat das OLG Hamburg unter Berufung auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die maßgeblichen Aspekte der persönlichen haftungsrechtlichen Verantwortung der Geschäftsführer einer GmbH im Außenverhältnis dargestellt. Der Geschäftsführer haftet hiernach gegenüber Dritten grundsätzlich nur, wenn er unmittelbar als Täter oder Teilnehmer gehandelt hat. Hat der Geschäftsführer nicht selbst, sondern ein Mitarbeiter der GmbH gehandelt, kommt eine Haftung des Geschäftsführers als Störer in Betracht, wenn er Kenntnis und die Möglichkeit hatte, die rechtsverletzende Handlung zu verhindern. Auch ohne seine Kenntnis kann der Geschäftsführer unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens für Rechtsverstöße der Mitarbeiter haften. Gegenüber Dritten gilt dies jedoch grundsätzlich nur, wenn er eine nach außen gerichtete Verkehrspflicht, mithin eine Garantenstellung verletzt hat.

 

Zur Aufgabe der persönlichen Störerhaftung von GmbH-Geschäftsführern im Lauterkeitsrecht vgl. BGH, Urteil vom 18.06.2014 – I ZR 242/12“ BGH bestätigt Rechtsprechungsänderung zur persönlichen Störerhaftung des Geschäftsführers

 

2.     Die Entscheidung

 

2.1  Sachverhalt

 

Eine GmbH hatte auf einer von ihr geschalteten Internetseite den Namen und die Marke eines Warenhauses ohne dessen Einwilligung für Werbezwecke genutzt. Das Warenhaus nahm daraufhin auch die Geschäftsführer der GmbH auf Unterlassung wegen marken- und wettbewerbsrechtlicher Verstöße in Anspruch. Die Geschäftsführer verteidigten sich damit, dass sie an den Rechtsverletzungen nicht beteiligt gewesen seien und von diesen auch keine Kenntnis gehabt hätten. Die Internetwerbung sei von einem Kreativteam selbständig entwickelt und von erfahrenen, leitenden Angestellten freigegeben worden. Die Mitarbeiter seien angewiesen gewesen, sich bei rechtlichen Zweifelsfragen an die Rechtsanwaltskanzlei der GmbH zu wenden.

 

2.2  Der Prüfungsablauf des OLG Hamburg

 

a)     Haftung als Täter, Teilnehmer oder Störer

 

Das OLG stellte heraus, dass systematischer Anknüpfungspunkt der persönlichen Haftung des Organs einer juristischen Person die Haftung als Täter, Teilnehmer oder Störer sei.

 

Habe das Organ wie im vorliegenden Fall nicht selbst gehandelt, komme eine persönliche Haftung – als Störerhaftung – nur dann in Betracht, wenn das Organ von der rechtsverletzenden Handlung Kenntnis hatte und die Möglichkeit, die rechtsverletzende Handlung zu verhindern.

 

b)     Berufung des Geschäftsführers auf Unkenntnis

 

Die Frage, ob gegebenenfalls eine behauptete Unwissenheit nur vorgeschoben wird, um einer Haftung zu entgehen, sei unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Spiegelten die rechtsverletzenden Maßnahmen jedoch zentrale Produkt- oder Marketingentscheidungen wider, spreche sehr viel dafür, die Kenntnis des Organs – widerleglich – zu vermuten.

 

In der Entscheidung des OLG Hamburg hatte die Geschäftsführung ihre Unkenntnis durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht. Eine zentrale Produkt- oder Marketingentscheidung lag der beanstandeten Werbung nach Ansicht des OLG nicht zu Grunde. Zudem sei nicht ersichtlich, dass der Werbung der GmbH stets oder auch nur in einer hinreichenden Anzahl von Fällen ein rechtsverletzendes Muster zu Grunde läge, das sich der Kenntnis der Geschäftsführung nicht hätte entziehen können oder zumindest ihren Argwohn hätte wecken müssen. Die geltend gemachte Unkenntnis des Organs sei daher keineswegs unplausibel.

 

c)     Organisationsverschulden

 

Das OLG prüfte weiter, ob der Geschäftsführung ein sog. Organisationsverschulden zu Last gelegt werden konnte. In diesem Fall haftet das Organ nicht deshalb, weil es sich selbst an den Rechtsverstößen beteiligt hat, sondern weil es unterlassen hat, eine Organisation zu schaffen, in der Rechtsverstöße vermieden werden. Dieses Unterlassen stellt eine eigene Pflichtverletzung der Geschäftsführer dar.

 

Der von den Geschäftsführern beschriebene organisatorische Ablauf hinsichtlich der Internetseite wurde vom OLG Hamburg nicht als erkennbar mangelhaft oder unangemessen gewertet. Den Geschäftsführern könne daher nicht vorgehalten werden, zwar von einer etwaigen Rechtsverletzung im Einzelfall nichts gewusst, ihr Auftreten jedoch generell billigend in Kauf genommen zu haben.

 

Ein Organisationsverschulden des Geschäftsführers führt nach der Rechtsprechung zudem grundsätzlich nur zu einer Haftung gegenüber der GmbH. Eine Haftung gegenüber Dritten setzt die Verletzung einer nach außen gerichteten Verkehrspflicht, mithin einer Garantenstellung voraus, soweit eine Erfolgsabwendung möglich war.

 

d)     Pflichtwidriges Unterlassen bei Garantenstellung

 

Wie das OLG Hamburg ausführte, hatte der BGH angenommen, dass sich die Binnenverantwortlichkeit des Geschäftsführers gegenüber der GmbH gem. § 43 Abs. 2 GmbHG zu einer Garantenstellung gegenüber Dritten erweitern könne, wenn die organschaftlichen Pflichten zur Gefahrenabwehr aus besonderen Gründen – etwa weil ein Dritter seine Schutzgüter der Einflusssphäre der Gesellschaft anvertraut habe – den Geschäftsführer gegenüber dem Dritten persönlich verpflichteten.

 

Derartige besondere Gründe vermochte das OLG jedoch nicht festzustellen. Insbesondere habe das Warenhaus seine Rechtsgüter nicht der Einflussspähre der GmbH unterstellt. Die GmbH habe diese schlicht ursurpiert.

 

3.     Praktische Folgen

 

Die Klage vor dem OLG Hamburg gegen die Geschäftsführer blieb im Ergebnis erfolglos. Dennoch kann es gerade unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens in vielen Fällen zu einer persönlichen Haftung von Geschäftsführern für Rechtsverstöße kommen, die durch Mitarbeiter des Unternehmens begangen wurden, selbst wenn der betreffende Geschäftsführer hieran weder beteiligt war noch Kenntnis hatte. Ist die GmbH verpflichtet aufgrund der Rechtsverstöße Schadensersatz zu leisten oder wird ihr ein Bußgeld auferlegt, muss der Geschäftsführer damit rechnen von der GmbH selbst in entsprechender Höhe auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Es obliegt dann dem Geschäftsführer den Nachweis zu führen, dass er für angemessene organisatorische Vorkehrungen gesorgt hat, um derartige Rechtsverstöße zu verhindern.

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