Bundesgerichtshof, Versäumnis-Urteil vom 10.12.2013 – II ZR 53/12 (OLG Bamberg)

 

Dr. Christian Rehm

 

Die Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung finden auch in der Liquidation der GmbH Anwendung – Haftungsrisiko für die Gesellschafter

 

1. Hintergrund

 

Der BGH bestätigt in seiner Entscheidung, dass die Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung auch in der Liquidation einer GmbH Anwendung finden. Nach herkömmlicher Rechtsprechung liegt die wirtschaftliche Neugründung einer GmbH vor allem vor, wenn eine Vorrats- oder Mantelgesellschaft erstmals oder erneut mit einem Unternehmen ausgestattet wird. Die Rechtsprechung setzt diese Fälle mit der Gründung der Gesellschaft gleich, so dass die Regelungen zur Aufbringung des Stammkapitals eingehalten werden müssen. Ist das Stammkapital der GmbH mittlerweile aufgebraucht, haften die Gesellschafter persönlich auf den fehlenden Betrag. In seinem Urteil vom 10.12.2013 erweitert der BGH nun diese Rechtsprechung auf den Fall, dass eine GmbH nach ihrer Abwicklung nicht gelöscht, sondern später erneut in Betrieb genommen wird.

 

Nach Auffassung des  BGH besteht die Gefahr einer Umgehung der Gründungsvorschriften und damit eines wirksamen Gläubigerschutzes sowohl bei der „Wiederbelebung“ eines durch das Einschlafenlassen des Geschäftsbetriebs zur leeren Hülse gewordenen Mantels durch Ausstattung mit einem (neuen) Unternehmen als auch im Zusammenhang mit der Verwendung des leeren Mantels einer Abwicklungsgesellschaft, deren Abwicklung nicht weiter betrieben wurde. Allein die mit der Fortführung beabsichtigte Zweckänderung von einer Abwicklungsgesellschaft zu einer werbenden Gesellschaft sei jedoch noch nicht als wirtschaftliche Neugründung anzusehen. In der Abwicklungsphase sei vielmehr darauf abzustellen, ob noch nennenswerte Liquidationsaufgaben wahrgenommen werden oder ob die Abwicklung über längere Zeit bereits nicht mehr betrieben wurde.

 

2. Praktische Folgen

 

Die Rechtsprechung hat zur Folge, dass die Geschäftsführer und Gesellschafter vor der erneuten Nutzung einer aufgelösten und abgewickelten GmbH zu prüfen haben, ob deren Unternehmenstätigkeit vollständig zum Erliegen gekommen ist oder ob in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise an den ehemaligen Geschäftsbetrieb angeknüpft werden kann. Im Einzelfall kann auch eine an die Abwicklung anschließende Neukonzeption des Unternehmens als ausreichende unternehmerische Aktivität angesehen werden und gegen die völligen Stilllegung des Unternehmens sprechen. Um ein Haftungsrisiko für die Gesellschafter zu vermeiden, sollten diese in Zweifelsfällen für eine satzungsmäßige Kapitalausstattung der GmbH sorgen und die Geschäftsführung die wirtschaftliche Neugründung gegenüber dem Registergericht offenlegen.

 

Im Auge zu behalten sind vor dieser Rechtsprechung auch Ein-Objekt-Gesellschaften und sog. Special Purpose Vehicles, deren Unternehmen nach Veräußerung des einzigen Vermögensgegenstandes oder nach Zweckerreichung außerhalb des gesetzlichen Liquidationsverfahrens abgewickelt werden. Kommt der Geschäftsbetrieb damit zum Erliegen, kann die spätere Wiederbelebung der Gesellschaft eine wirtschaftliche Neugründung darstellen.

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