Auswirkungen der Corona-Virus-Krise: Rechtliche Abwehrmöglichkeiten und Entschädigungsansprüche für Hotel- und Gastronomiebetriebe

 

1. Massive Betroffenheit der Hotel- und Gastronomiebranche

 

Laut Angaben des DEHOGA Bundesverband (DEHOGA) könnten 70.000 Hotel und Gastronomiebetriebe infolge der Corona-Virus-Krise in Konkurs gehen. Den ca. 223.000 Betrieben der Branche gingen bis Ende April rund EUR 10 Milliarden Umsatz verloren. Hotels und Gastronomiebetriebe mussten als Erste schließen und werden vermutlich als Letzte ihre Betriebe für den Publikumsverkehr öffnen dürfen.

 

Ende März mussten bundesweit Gaststätten im Sinne des jeweiligen Landesgaststättengesetzes für den Publikumsverkehr schließen. Seitdem dürfen sie Speisen und Getränke nur zur Abholung oder Lieferung anbieten. In Beherbergungsbetrieben dürfen keine Übernachtungen für touristische Zwecke erfolgen. Während in den meisten Bundesländern der Nicht-Lebensmitteleinzelhandel seine Geschäfte mit einer Verkaufsfläche bis 800 m² oder darüber hinaus wieder öffnen darf, ist eine Lockerung der Maßnahmen für die Hotel- und Gastronomiebetriebe nicht in Sicht. Bei den Schließungsanordnungen und Übernachtungsbeschränkungen handelt es sich um massive Eingriffe in die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG).

 

Zur wirtschaftlichen Bewältigung dieser enormen Belastungen fordert die Branche von der Politik ein Nothilfeprogramm, insbesondere in Form von Mehrwertsteuersenkungen für Hotels und Gastronomie auf 7 % sowie durch Schaffung eines Nothilfefonds vergleichbar mit den Unterstützungsleistungen für die Landwirtschaft aufgrund der Dürrekatastrophe im Jahr 2018.

 

2. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen

 

Mit Beschluss vom 9. April 2020, (Az. 1 S 925/20) hat der VGH Mannheim die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen im Infektionsschutzgesetz offen angezweifelt. So sei die Schließung einer Vielzahl von Verkaufsstellen und Dienstleistungsbetrieben durch eine Rechtsverordnung „von einer sehr beträchtlichen Eingriffstiefe“. Die Intensität des damit verbundenen Eingriffs sei für jeden einzelnen betroffenen Betrieb ausgesprochen hoch. Denn der Eingriff führe zu einem weitgehenden oder vollständigen Wegfall jeglichen Umsatzes. Den Betroffenen sei es praktisch unmöglich, den Wirkungen dieses Eingriffs auszuweichen. Diese sehr gravierenden Auswirkungen könnten – so der VGH Mannheim – dafürsprechen, dass die Vorschriften des § 32 S. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1, 2 Infektionsschutzgesetz wegen Verstoßes gegen den Parlamentsvorbehalt nicht verfassungsgemäß seien.

 

Der Sachverhalt mit dem sich der Senat befasste, betraf zwar die Schließung eines Fitnesscenters. Die angestellten rechtlichen Erwägungen in Bezug auf Verkaufsstellen und Dienstleistungsbetriebe lassen sich jedoch unproblematisch auf Hotel- und Gastronomiebetriebe übertragen. Die grundrechtliche Eingriffstiefe ist hier sogar noch gravierender, da eine Lockerung der staatlichen Anordnungen im Gegensatz zur Einzelhandelsbranche von der Politik bislang nicht in Aussicht gestellt wurde. Angesichts der Eingriffsintensität der Maßnahmen ist die Frage durchaus berechtigt, warum Übernachtungen zu touristischen Zwecken oder eine Öffnung der Gastronomiebetriebe nicht unter Auflagen (Steuerung des Zutritts durch eine Begrenzung der Personenzahl, Einhaltung von Hygienemaßnahmen) erlaubt sein soll. Eine hinreichende verfassungsrechtliche Begründung, die den fortdauernden schwerwiegenden Grundrechtseingriff am Maßstab des angestrebten Ziels rechtfertigen könnte, lässt die Politik ebenso vermissen wie eine ausführliche Begründung, welche zumutbaren Maßnahmen staatlicherseits getroffen wurden, um die intensiven Grundrechtsbeeinträchtigungen so schnell wie möglich zu beenden. Dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) resultierenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird dies nicht gerecht.

 

Unabhängig von ihren berechtigten politischen Forderungen stellen sich zahlreiche Hotel- und Gastronomiebetriebe gegenwärtig die Frage, welche rechtlichen Abwehrmöglichkeiten es gegen die angeordneten staatlichen Maßnahmen gibt (dazu 3.) und ob Ihnen Entschädigungsansprüche zustehen (dazu 4.).

 

3. Welche rechtlichen Abwehrmöglichkeiten gibt es?

 

Die Beschränkungen im Hotel- und Gastronomiegewerbe werden häufig auf Rechtsverordnungen der jeweiligen Bundesländer gestützt (§ 32 Infektionsschutzgesetz). Grundsätzlich können Rechtsverordnungen im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 der Verwaltungsgerichtsordnung vor dem zuständigen Oberverwaltungsgericht innerhalb eines Jahres angefochten werden, sofern das jeweilige Landesrecht dies vorsieht.

 

Lässt das Landesrecht eine Normenkontrolle nicht zu (wie etwa in Berlin), so kommt eine Feststellungsklage nach § 43 der Verwaltungsgerichtsordnung vor dem zuständigen Verwaltungsgericht in Betracht.

 

Gegen die von zahlreichen Landkreisen erlassenen Allgemeinverfügungen sind (je nach Ausgestaltung des jeweiligen Landesrechts) Widerspruch und/oder Anfechtungsklage statthaft. Diese Rechtsbehelfe werden jedoch in den meisten Fällen keine aufschiebende Wirkung entfalten, da sie meist auf die Schutzklausel des § 28 Infektionsschutzgesetzes gestützt werden (§§ 28 Abs. 3, 16 Abs. 8 Infektionsschutzgesetz) und damit sofort vollziehbar sind. Die sog. aufschiebende Wirkung kann hier aber in einem Eilverfahren durch das Verwaltungsgericht angeordnet werden. Das Klageverfahren wird dann nachgezogen.

 

4. Existieren Entschädigungsansprüche?

 

Entschädigungsansprüche dürften in vielen Fällen durchaus begründet sein. Für die Frage, ob ein Entschädigungsanspruch im jeweiligen Einzelfall einschlägig ist, kommt es nicht darauf an, ob das staatliche Handeln rechtmäßig oder rechtswidrig war. In beiden Konstellationen können Entschädigungsansprüche greifen.

 

Das Infektionsschutzgesetz selbst bietet zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf eine Entschädigung der von staatlichen Maßnahmen betroffenen Hotel- und Gastronomiebetriebe. Es ist insofern lückenhaft. Möglich ist deshalb ein Rückgriff auf die Entschädigungsansprüche der jeweils landesrechtlich ausgestalteten Entschädigungsregelungen des allgemeinen Polizeirechts im Falle der rechtmäßigen oder rechtswidrigen Inanspruchnahme eines nicht störenden Hotel- oder Gastronomiebetriebs möglich ist.

 

Schließlich können sich Entschädigungsansprüche auch aus den gewohnheitsrechtlich anerkannten Instituten des enteignungsgleichen oder enteignenden Eingriffs ergeben.

 

Sind die angegriffenen Maßnahmen rechtswidrig, so müssen betroffene Unternehmen vorrangig die ihnen eingeräumten rechtlichen Möglichkeiten nutzen, sich direkt gegen die belastenden Maßnahmen zur Wehr zu setzen (sogenannter Vorrang des Primärrechtsschutzes), um ihre Entschädigungsansprüche geltend machen zu können.

 

5. Unsere Empfehlung

 

Zunächst sollten betroffene Hotels und Gastronomiebetriebe die Verluste durch die Betriebsschließungen/Übernachtungsbeschränkungen für die Monate März und April ermitteln und eine Entschädigung beim jeweiligen Land anmelden.

 

Da zahlreiche Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit der staatlich angeordneten Maßnahmen sprechen, sollten sich betroffene Unternehmen mit den zur Verfügung stehenden verfahrensrechtlichen Instrumenten (Widerspruch, Anfechtungsklage, Normenkontrollverfahren, verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage, Eilrechtsschutz) zur Wehr setzen.

 

Lehnt das jeweilige Land eine Entschädigungszahlung ab, sollten betroffene Unternehmen diese klageweise vor den jeweils zuständigen Zivilgerichten geltend machen.

 

Gerne prüfen wir, welche Rechtsschutzmöglichkeiten in Ihrem konkreten Einzelfall bestehen und ob und inwieweit Ihnen möglicherweise Entschädigungsansprüche zustehen. Im Falle eines Beratungsbedarfs steht Ihnen unsere Sozietät SammlerUsinger zur Verfügung.

 

Ansprechpartner sind hier Herr Rechtsanwalt Dr. Claus-Peter Martens, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Herr Rechtsanwalt Prof. Dr. Christoph Moench, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Herr Rechtsanwalt David Brosende und Frau Rechtsanwältin Natalie Sommer.

 

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