Auswirkungen der Corona-Virus-Krise: Entschädigungsansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz

wegen der behördlich angeordneten Betriebsschließungen

 

Die Bundesregierung und die Regierungschefs der Bundesländer haben sich am 22. März 2020 darauf verständigt, dass angesichts der Corona-Virus-Krise in Deutschland, die bereits beschlossenen Maßnahmen, u.a. die Schließung sämtlicher Einzelhandelsgeschäfte, die keine Lebensmittel oder andere lebenswichtige Güter verkaufen, weiter verschärft werden müssen. Mittlerweile wurde die Schließung der Einzelhandelsgeschäfte durch Verordnung auf Grundlage von § 32 in Verbindung mit den § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 und § 31 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) auch von allen Bundesländern umgesetzt.

 

Viele Unternehmen, Betriebe, Händler und gewerbliche Vermieter können die durch die angeordneten Schließungen bevorstehenden Umsatzausfälle nicht aus den eigenen Rücklagen „stemmen“. Im Zuge der staatlich angeordneten Maßnahmen, stellt sich daher für viele Betroffene die berechtigte Frage, ob neben Überbrückungskrediten und ähnlichen Hilfestellungen, auch gesetzliche Entschädigungsansprüche geltend zu machen sind. Denn die Ersatzpflicht des Staates ist nicht allein auf die Fälle des hoheitlichen Unrechts beschränkt. Greift der Staat im Interesse des Allgemeinwohls - zum Schutz seiner Bevölkerung vor den Auswirkungen einer sich ausbreitenden Seuche - rechtmäßig in geschützte Rechtspositionen des Einzelnen ein, so kommen ein Anspruch aus enteignendem Eingriff und der sog. Aufopferungsanspruch, in Betracht. Allerdings hat der Einzelne nach dem Leitprinzip der Aufopferungsentschädigung allein dann einen Anspruch auf Entschädigung, wenn ihm durch das rechtmäßige hoheitliche Handeln ein besonderes, anderen nicht zugemutetes „Sonderopfer“ für die Allgemeinheit abverlangt wird. Die Annahme eines sog. „Sonderopfers“ setzt voraus, dass der Betroffene im Vergleich zu anderen ungleich stärker belastet wird. Entscheidend ist die Ungleichbehandlung mit anderen.

 

Im Falle der Corona-Virus-Krise stellt sich die Situation anders dar. Die angeordneten Betriebsschließungen treffen sämtliche Unternehmen im Einzelhandel, die nicht für die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern erforderlich sind. Die generelle Betroffenheit steht der rechtlichen Annahme eines sog. Sonderopfers - das durch eine außergewöhnliche Einzelbelastung gekennzeichnet ist - nach den bislang in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zunächst einmal entgegen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die von der Schließung gewährten Ausnahmen für bestimmte Einzelhandelszweige - z. B. Bau- und Gartenmärkte - die teilweise doch recht großzügig sind, vielleicht doch eine andere Sichtweise rechtfertigen werden.

 

Auch die einfachgesetzlich normierten Entschädigungsansprüche im Infektionsschutzgesetz („IfSG“) sind auf die aktuell behördlich angeordneten Betriebsschließungen nicht ausgelegt. Denn das IfSG unterscheidet systematisch zwischen Maßnahmen zur präventiven Verhütung und solchen der Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Die Entschädigungsregelung in § 65 Abs. 1 IfSG normiert u.a. einen Anspruch für sog. „Nichtstörer“, die durch präventive Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Infektionskrankheiten, nicht nur unwesentliche Vermögensnachteile erleiden. Der Entschädigungsanspruch aus § 65 Abs. 1 IfSG greift daher nur, wenn die behördliche Maßnahme auf Grundlage der Verhütungsgeneralklausel (§§ 16,17 IfSG) ergriffen und präventive Zwecke der Risikovorsorge verfolgt.

 

Demgegenüber wird die behördlich angeordnete flächendeckende Schließung von Geschäften auf Grundlage von § 28 Abs. 1 IfSG als sog. Maßnahme zur Bekämpfung übertragbarer Infektionskrankheiten erlassen. Dies liegt darin begründet, dass mittlerweile im gesamten Bundesgebiet Menschen an dem Corona-Virus erkrankt sind und entsprechend den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes nunmehr die Phase der Gefahrenabwehr- und Bekämpfung erreicht ist.

 

Für Maßnahmen der Bekämpfung und Gefahrenabwehr gilt die Entschädigungsregelung in § 65 Abs. 1 IfSG, die nur präventive Maßnahmen gem. §§ 16, 17 IfSG umfasst, eindeutig nicht. Gegen eine Ausweitung spricht bereits der eindeutige Wortlaut der Regelung.

 

Ein Rückgriff auf die Entschädigungsregelung in § 56 Abs. 4 IfSG, die zwar Maßnahmen der Gefahrenabwehr- und Bekämpfung umfasst, dürfte in den meisten der Corona-Virus-Krise bedingten Fälle von Vermögensverlusten auch nicht zu einer Anspruchsberechtigung führen. Denn nach dieser Regelung ist der Entschädigungsanspruch gem. § 56 Abs. 1 IfSG auf einen engen Personenkreis begrenzt, z. B. auf solche Personen, die selbst erkrankt und/oder aufgrund behördlicher angeordneter Quarantäne von einem Berufungsausübungsverbot betroffen sind.

Diese Annahme wird auch durch eine Pressemitteilung der Regierung von Niederbayern - abrufbar unter: https://www.regierung.niederbayern.bayern.de/aufgabenbereiche/5g/rechtsfragen/entschaedigung_ifsg/index.php - gestützt. Nicht erfasst von den Entschädigungsleistungen nach § 56 IfSG sind danach Verdienstausfälle bei Betriebsschließungen und Veranstaltungsverboten aufgrund der Allgemeinverfügung "Veranstaltungsverbote und Betriebsuntersagungen anlässlich der Corona-Pandemie" des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege und des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vom 16.03.2020.

 

Das Staatshaftungsrecht zielt mit seiner regelmäßig sehr restriktiven Anwendung grundsätzlich nur auf den Ausgleich überschaubarer, eher „punktueller“ Schadensereignisse und ist nach seiner – zumindest bisherigen - rechtlichen Ausgestaltung kein Instrument gesamtgesellschaftlicher Schadensversicherung für staatliche Maßnahmen, die - wie bei der Corona-Virus-Krise - das Bundesgebiet vollständig erfassen und wirtschaftlich zu massiven - existenzgefährdenden - Schäden einer Vielzahl von Unternehmen und Unternehmern führen.

 

Vor diesem Hintergrund ist es nun Sache des Gesetzgebers, für die besonders stark betroffenen Branchen, eine gesetzliche Grundlage für Entschädigungszahlungen zu schaffen. Wenn die bislang bekannten Instrumente des Staatshaftungsrechts nicht greifen, ist der Staat verpflichtet für einen effizienten und nachhaltigen Nachteilsausgleich zu sorgen. Eine bloße Stundung wird dem im Zweifel nicht gerecht werden.

 

Diese Information soll betroffene Unternehmen für das Thema sensibilisieren, stellt aber keine rechtliche Beratung für einen konkreten Einzelfall dar und soll und kann eine solche Beratung auch nicht entbehrlich machen.

 

Im Falle eines Beratungsbedarfs steht Ihnen unsere Sozietät SammlerUsinger gern zur Verfügung.

 

Ansprechpartner sind hier Herr Rechtsanwalt Dr. Claus-Peter Martens, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Frau Rechtsanwältin Natalie Sommer.

 

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